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- Offener Brief -

An den
Polizeipräsidenten
Herrn Hubert Wimber
Friesenring 43
48147 Münster

Abs
Nathalie u. Pedro Gräbe
Kreuzstraße 25
45731 Waltrop

09. Januar2007

Sehr geehrter Herr Polizeipräsident,

wir stellen zunächst mit Befremden fest, dass Sie über die Medien einen offenen Brief an uns richten, ohne uns diesen auch persönlich zu übersenden.

Weiterhin nehmen wir zwar dankend zur Kenntnis, dass Sie sich für die unwahre öffentliche Meldung Ihrer Pressestelle, unser verstorbener Sohn habe bei dem Unfall vom 12. August 2006 "augenscheinlich unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln" gestanden, nunmehr persönlich entschuldigen, bedauern es andererseits aber sehr, dass Ihre Entschuldigung erst auf medialen und politischen Druck zustande gekommen ist. Wir hätten erwartet, dass die Polizei Münster uns gleich nach dem Vorliegen des Ergebnisses der Blutuntersuchung eine Entschuldigung schickt und per schriftlicher Pressemitteilung an die Medien sowie im Internet-Presseportal der Polizei für eine öffentliche Richtigstellung der Falschmeldung sorgt. Statt dessen belässt Ihre Behörde die Falschmeldung jedoch sogar noch für mehrere Wochen im Internet. Entfernt wird sie erst nach Einschaltung unseres Anwalts! Wenn ein Polizeisprecher das auch noch als simplen "Kommunikationsfehler" herunterspielt, ist das geradezu zynisch.

Zudem können auch etliche Darstellungen in Ihrem offenen Brief keinesfalls unwidersprochen bleiben. Wir beantworten Ihren offenen Brief deshalb hiermit ebenfalls öffentlich.

Zunächst einmal weisen wir Ihre Darstellung zurück, dass unsere öffentlichen Aktivitäten lediglich "eine besondere Form der Trauerbewältigung" seien und stellen klar, dass wir uns primär an die Medien gewandt haben, um eine Korrektur der seinerzeitigen Presseartikel zu erreichen, in denen die Falschmeldung Ihrer Pressestelle über den angeblichen Alkohol- und Drogenkonsum unseres Sohnes in gutem Glauben übernommen worden war. Unser Ziel war und ist es, das geschädigte Ansehen und Andenken unseres Sohnes in der Öffentlichkeit in gleichem Umfang wiederherzustellen, wie es öffentlich beschädigt worden ist. Erst in zweiter Linie haben wir uns auch darüber empört, dass seitens der Polizei überhaupt solch eine Falschmeldung erscheinen konnte, diese dann trotz Kenntnis der wahren Tatsachen auch noch mehrere Wochen im Internet verblieb und uns persönlich keinerlei Entschuldigung übermittelt wurde.

Weiterhin ist richtig zu stellen, dass nicht wir Ratsherren der Stadt Münster eingeschaltet haben, sondern sich ein Ratsherr der CDU aufgrund der Medienveröffentlichungen selbst mit uns in Verbindung gesetzt hat.

Hinsichtlich der Falschmeldung Ihrer Pressestelle werfen wir der Polizei Münster grobe Verletzungen dienstlicher Sorgfaltspflichten vor.

Wenn, wie Sie sagen, das Ergebnis der Blutuntersuchung sogar zum Zeitpunkt der zweiten Pressemeldung am 14.08.2006, also zwei Tage nach dem Unfall, in Ihrem Hause noch nicht vorlag, wie kann es da möglich sein, dass Ihre Pressestelle bereits am Unfalltag öffentlich mitteilt, dass der Fahrer "augenscheinlich unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln" gestanden habe?

Es wäre die unabdingbare Dienstpflicht Ihrer Beamten gewesen, sich vor Veröffentlichung einer Pressemitteilung, die den Charakter einer Tatsachenbehauptung hat (lt. Duden ist das Wort "augenscheinlich" gleichbedeutend mit "offensichtlich, offenbar") und in erheblichem Maße geeignet ist, dass öffentliche Andenken unseres verstorbenen Sohnes und auch das Ansehen seiner Eltern nachhaltig zu schädigen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, sich der tatsächlichen Umstände zu vergewissern. Beispielsweise durch Anforderung eines Faxes mit den Ergebnissen der Blutprobe beim Institut für Rechtsmedizin. Gelegenheit und Zeit dazu stand hinreichend zur Verfügung. Dies wurde von den verantwortlichen Beamten jedoch schuldhaft unterlassen.

Eine Kriminalisierung unseres Sohnes war Ihrerseits sicher nicht beabsichtigt, erfolgte aber faktisch, da polizeilichen Meldungen ein erheblich höherer Wahrheitsgehalt zugesprochen wird als sonstigen Pressemeldungen.

Auch die Tatsache, dass, selbst nachdem die Ergebnisse der Blutuntersuchung längst in Ihrem Hause vorlagen, die Falschmeldung noch mehrere Wochen im Internet veröffentlicht blieb, und erst nach Einschaltung unseres Anwalts und der Opferschutzbeauftragten herausgenommen wurde, stellt nicht nur nach unserem Dafürhalten eine erhebliche Verletzung dienstlicher Sorgfaltspflichten der verantwortlichen Beamten dar.

Wie Sie wissen, haben wir deshalb inzwischen Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde eingereicht und um Überprüfung und ggf. Sanktionierung gebeten, inwieweit sich die Verantwortlichen auch im strafrechtlichen Sinne der § 186 StGB (Üble Nachrede), § 187 StGB (Verleumdung) und § 189 StGB (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) schuldig gemacht haben.

Angesichts der vermeidbaren Falschmeldung Ihrer Pressestelle nimmt es wohl nicht Wunder, wenn wir auch Zweifel an der Sorgfalt der polizeilichen Ermittlungen hinsichtlich der Unfallursache bekommen haben. Wie Sie selbst einräumen, gab es zunächst keine offenkundige Erklärung für den Unfall. Trotzdem wurde bereits in der Pressemeldung vom Unfalltag die Tatsachenbehauptung aufgestellt, dass es sich um einen "Alleinunfall" gehandelt habe. Im Weiteren haben sich die Ermittlungen dann insbesondere auf die späteren Aussagen der Beifahrerin gestützt. Warum aber findet sich in den Ermittlungsakten keine Aussage der Zeugin W., die vor der Unfallstelle einen großen Gegenstand auf der Fahrbahn gesehen haben will?

In diesem Zusammenhang weisen wir Ihre Unterstellung zurück, Helfer und Bekannte unseres Sohnes ungerecht zu verdächtigen. Wir haben angesichts der Konfrontation mit der für uns in keiner Weise vorstellbaren Verdächtigung unseres Sohnes, Alkohol und Drogen konsumiert zu haben, den ermittelnden Beamten lediglich gesagt: "Wenn das stimmt, dann hat ihm das jemand in ein Getränk gemischt." Worauf wir von diesen natürlich gefragt wurden, wer z.B. Konflikte mit unserem Sohn gehabt haben könnte. Diese Fragen haben wir wahrheitsgemäß beantwortet, niemals jedoch irgendeinen Menschen ungerecht verdächtigt oder beschuldigt. Unser einziges Interesse liegt in der rückhaltlosen Aufklärung des Unfalls.

Wir bitten Sie um Mitteilung, ob die Aussagen der Zeugin W. noch gehört werden sollen und durch welche Maßnahmen Sie gedenken, einer Wiederholung haltloser Falschmeldungen vorzubeugen.

Mit freundlichen Grüßen

Nathalie Gräbe und Pedro Gräbe